Wie bereits von unserem offiziellen Presseorgan angekündigt, soll ich zu unserem heurigen Ausflug in eine der schönsten Rennradregionen der Welt die wahren Gegebenheiten schreiben. Das ist zugegeben nicht ganz einfach – aber wer schon jahrelang regionale Postillen in der Oberpfälzer Provinz mit seriösen Berichten zum MTB Sport versorgte und dann beinahe wöchentlich festgestellt hat, dass alles erbarmungslos zusammengekürzt und das mit gesendete Racefoto einem Mannschaftsbild von Menschen im Rollkragenpulli des regionalen Golfclubs weichen musste („wir behandeln alle Sportarten gleich“) – ja der freut sich auch über derart ehrenvolle Aufgaben und ist im Grunde sogar sehr dankbar dafür. Daher nun die wahre Berichterstattung – selbstverständlich alles andere als schnell, natürlich schonungslos und unzensiert und ihr müsst bedenken: Ich habe seit Mitte Januar nix mehr großartiges geschrieben und hatte zum Überfluss auch noch eine Woche Urlaub.
Die Zeit davor:
Herbst 2011, Saison vorbei, die Tage werden kürzer, erste Überlegungen zum Trainingslager 2012. Aber nur Überlegungen. In einem Spontanverein wie dem unseren was ein halbes Jahr im vorab zu planen ist ungefähr so, wie dem griechischen Parlament heute vorzuschlagen, den Haushaltsplan 2015 zu verabschieden. Ich liebe diesen Wortschatz aus Worten wie „eventuell, man könnte mal, vielleicht, man sollte, man müsste, warten wir halt mal ab, schaun mer mal“ und so weiter und so fort. Gleichzeitig bombt dir dein fürsorglicher Arbeitgeber schon mal einen Pflichttermin nach dem anderen für das Frühjahr 2012 in den Terminkalender… Das wird eng, das wird knapp.
Auch unsere U23 Fraktion wollte nicht länger warten und nach einigen Hin und Her stand Ciacomo Country 2012 in der letzten Märzwoche fest. Trotz der Wetterkapriolen des Vorjahres war der Andrang dann ungebrochen, wir hatten zum Schluss dann 14 Interessenten, nicht schlecht, neuer Rekord, wer hätte das gedacht. Die Location war auch klar: Podere l´agave, San Vincenzo an der Toskanaküste, wie in den Vorjahren. Schon die alten Etrusker ließen es in der Region vor Jahrtausenden ordentlich krachen, somit der ideale Ort für einen Haufen der eher lebensbejahenden Art wie uns.
Die Anfahrt:
Heuer war das mit Abstand der größte Tross, der hier in Bewegung gesetzt wurde. Leider hatten wir mit dem Heini und der Lisa zwei krankheitsbedingte Ausfälle (ihr habt da echt was verpasst, next Chance 2013), aber 12 Leute runterzukarren ist immer noch eine logistische Herausforderung. Als Vorhut machte sich der Herr Vereinschef mit Cheforganisator Michi schon etwas früher auf die Reise, um in Lindau die Johanna Techt mit an Bord des Ghost-Breitreifenspacemobils zu nehmen. Der Rest folgte um 2 Uhr in der Nacht. Der wieder zur Verfügung gestellte Sprinter unseres Sponsers KTN (danke noch mal an Dani) ermöglichte die Mitnahme von Annehmlichkeiten wie kompletter Radwerkstatt, Espressomaschine, Full-Size-Soundanlage und anderer Dinge, die den Aufenthalt in die Fünf Sterne + x Kategorie verschieben sollten. Allerdings machten sich meine Nachbarn schon Sorgen, als ich meinen Skandinavienbenz abends davor mit eben diesen Dingen vollgeladen habe (Zieht etz woll der nächste aus, hot der woll a a jüngere???). Ja, so ist das in den Neubaugebieten von heute.
Der bereits erwähnte Schwedenkombi und die weitere zur Beförderung dienende Easy-Living-Franzosenschaukel Farbe goldmetallic vom Bärli boten den Insassen während der Fahrt sehr unterschiedliche Unterhaltungsprogramme. Während im skandinavischen Fahrzeug ständig auf nicht angeschnallte Personen hingewiesen wurde, hatten die Fehlermeldungen im Gallischen Teil des Fuhrparks den Flair eines Cockpits einer Tupolev TU 134, Baujahr 1968 der Kasachstan Airways auf dem Flug von Ulan Bator nach Novosibirsk. Please put on your swim wests now, thank you for flying….
Hinweg dann wider Erwarten ohne Probleme. Wie immer Stopps in Kiefersfelden („Homs a gnuch Wornweschtn dobei? – Sonderprais finf Euro des Stück), Mc D. Mautstelle Schönberg (Big Mäc am Morgen, Pflicht), Lago die Garda Sud (1st Italian Espresso), Brückenrasthaus bei Bologna (2nd + 3rd Italian Espresso). Ankunft in Vince, als erstes Aufbau Espressomaschine, (1st German Dallmayr Espresso in Italy). Quartier perfekt wie immer, Frühstück 1a, Wetter Sonne pur, Bussi vom Präsidenten, ca. 25 Grad – Plus. (Mag nicht daran denken, wenn wir in den Faschingsferien gefahren wären)
Die Woche:
Erster Tag: Nach dem der Dallmayr runtergespült und durch Segafredo Bohnen ersetzt wurde, Abfahrt zum Einrollen, klassische Runde Bolgheri, Sassetta, Suvereto, (Espresso), Küste und heim. Wahnsinn: Im siebten Jahr in Folge macht die Strecke von Sassetta nach Suvereto immer noch süchtig, gleich mal Immobilienpreise gecheckt. Abends Pizzeria Number One, anschließend Location, Gschmarre wie immer und wie es sein soll.
Zweiter Tag: Zwei Gruppen, gemeinsames Ziel Castiglione della Pescaia. Der Haufen mit etwas mehr Saft über Tirli, der Rest direkt über den inzwischen als „Nuttentrack“ berühmten Klassiker. Letztere fehlten aber auf dem kompletten Stück. Seit wir keine Jugendfahrer mehr dabei haben, die glauben, Erich Honecker war Oberbefehlshaber der deutschen Wehrmacht, ist hier nichts mehr los. Weitere Erkenntnis des Tages: In Castiglione ist direkt am Strand der Cappu 1 € billiger, dafür gibt’s Ischen ohne Ende. In der Fußgängerzone dafür teuerer und nur Rentner. 1:0 für Gruppe 2, ich fahr künftig nur noch bei euch mit. Wie immer schöner Ausblick auf die Insel Giglio, mittlerweile durch nen notgeilen Marionettenkapitän weltberühmt. Abends Eigenkomposition von unseren Mädels, sehr sehr lecker… Gschmarre wie immer, auch das Knie vom Norbert ist wieder ganz.
Dritter Tag: Meine obligatorische Morgengymnastik vor dem Saugehege (wieder die richtigen Zuschauer) wird von der Johanna unterstützt. Endlich mal frischer Wind aus dem Bundeskader nach 20 Jahren Gymnastik vorturnen in diversen Trainingslagern…. Zwei Gruppen, die besser Trainierten nach Casciana Terme mit der endgeilen Rückfahrt über Castellina Marittima, der Häuptling erteilt seinen Fettzellen die Kriegserklärung und gibt sich die volle Kante („ich hoffe ich kann wenigstens einmal bei euch mitfahren“), der Rest fuhr ne lockerere Runde. Nach der beinahe Kollision mit einem Rentnerpanda, den ein ca. 95 jähriger mit 18 Dioptrien steuerte und uns die Vorfahrt nahm, waren alle wieder wach. Anschließend passiert etwas Unglaubliches: Ich trinke seit dem Skikurs der 9c der R1 in BT im Jahre 1984 Bier, hauptsächlich in Form von Hefeweizen. Im Jahr 2012 bringt mir mit Anna erstmals ein Mädel ein ebensolches nach dem Training an den Pool. Ich habe ihre Schaltung eingestellt (na ja, ging am nächsten Tag immer noch net gscheit, Jagwirezüge sind a Glump). Jedenfalls habe ich nun mein Lebensziel erreicht. Abends: Essen in Campiglia (einer der schönsten Orte in der Umgebung, garantiert ohne Touri Klimbim), anschließend Location, Ramazotti mit Zitrone wird als weiteres Getränk zur Infektprävention neu eingeführt.
Vierter Tag: Ruhetag, Sassettarunde alle miteinander, slow motion mit Videoaufnahmen von Oliver. Cappu in Suvereto. Anschließend Ausflüge nach Pisa für die, die noch nicht dort waren (alle außer mir) und Lucca. Ich ziehe drei Stunden Faulenzen am Pool vor (seit 1987 nicht mehr gemacht), um mich für die Herausforderung des Abends vorzubereiten: Das Anrichten von drei verschiedenen Nudelsaucen, Marke Alterspräsident. Das erfordert die volle Konzentration und die Menge hat zwei Tage gereicht. Allerdings wurden im Supermarkt die Regale umgeräumt. Mich regt das auf. Da hast dich nach sieben Jahren an alles gewöhnt und nun das. Was soll das? Meinen irgendwelche drogenabhängigen Marketingfuzzis, dass ich deswegen mehr einkaufe? Immerhin: Der Ciacomo Supermarkt ist einer der wenigen auf der Welt, wo nicht Phil Collins oder Brian Adams als Hintergrundmusik läuft. Wenigstens kann man einkaufen, ohne an Ohrenkrebs zu erkranken. Problem des Abends: Das sensationell gepflegte Curtis Bike vom Biggus ist immer noch fahrbereit und bringt den Herrn Wickles fast zum Verzweifeln. („Des gibt’s doch net!!!??!!!“)
Fünfter Tag: Kultrunde nach Montieri mit der 13km Abfahrt über Tatti bzw. Runde über Massa für die, die weniger fahren wollten. Keine weiteren Anmerkungen, kann man nicht beschreiben, muss man halt einfach gemacht haben. In Montieri wohnen inzwischen auch Rentner aus Berlin. Die Newcomerband Kraftklub muss beim Texten ihrer Debütsingle „Ich will nicht nach Berlin“ ähnliche Eindrucke gehabt haben. Pflichtstopp im Ischencafe in Valpiana. Meuterei des einfachen Pöbels an der Ischenbank für die drei anwesenden Oberhäupter des Vereins. Abends: Einige von uns erleben den ultimativen Sonnenuntergang am Strand.
Sechster Tag: Der übliche Burner nach San Gimignano (für Leser aus dem Raum Weiden: San Ciacomo), knapp 200km, Präsidentenetappe. Die zweite Gruppe fährt bis Volterra. In San Gimignano lernen wir neues: Abstellen von Rennrädern vor Fotoläden wird nicht geduldet. Die Kleintransporter der Marktaussteller sind alle heillos überladen. Auch beim zweiten Volterra-Anstieg ergab sich ein neues Bild: Der Kai ist heuer einfach unschlagbar. Punkt. Oben angekommen, benötigt unser Vereinschef ein Sauerstoffzelt und ist dennoch glücklich: Das Rad vom Biggus hat an der Kurbel einen halben Zentimeter (!) Spiel, Endlich, geschafft. Abends waren wir dann alle ziemlich breit, Pizzeria in Campiglia hieß die Rettung.
Siebter Tag: Abschied vom Präsidenten, von Johanna und vom Michi. Aufbruch nach Nals zum Marlene Sunshine Race. Anschließend begleiteten mich noch der Bärli und der Kai und anfänglich auch der Markus auf neuen, noch unentdeckten Wegen. Und so entdeckten wir Libbiano und noch ein paar andere interessante Orte. Ist schon der Hammer, was es nach sieben Jahren in der gleichen Gegend immer noch zu entdecken gibt. Der Rest vom Schützenfest fährt noch ne lockere und entspannte Runde. Abends gibt’s neue Kreationen in Form von Rissotto und anderen netten Sachen.
Achter Tag: Frühstück und noch ne kleine Regenerationseinheit nach Populonia. Das ist einer der Orte, wo ich ewig bleiben könnte und wo ich überzeugt bin, dass mir jeder recht geben wird, der dort erstmals aufschlägt. Last Cappu in historischen Mauern mit letztem Austausch mit der lokalen MTB-Szene („Populonia, very very good Trails“, wer die Gegend kennt, glaubt das sofort) Damit der Abschied nicht zu schwer fällt, entscheiden wir uns für den Rückweg über Venturina mit anschließend letzten Kilometern auf „Strada deformata“ (was in der Gegend aber die Ausnahme ist).
Die Rückfahrt:
Eigentlich nichts besonderes, die gleichen Halte wie auf der Hinfahrt, ab dem Brenner meldet sich der Turbolader des gallischen Wunderkombis, hält aber bis Pegnitz durch. Glück gehabt. Gute Stimmung bis zum Schluss. In 10,5 Stunden bis PEG, da kann man nicht meckern.
Die Zeit danach:
Die acht Tage gingen viel zu schnell vorbei. Aber die haben ausgereicht, um zum einen die Form noch mal ordentlich zu pushen und sich mal wieder richtig auf null runter zu setzen. Im Zeitalter von Burnout im job und anderen unschönen Dingen, die der Alltag heute so mit sich bringt, müsste es das, was wir da wieder auf die Füße gestellt haben, eigentlich als Kassenleistung geben. Würden das alle so machen, hätten wir einen Beitragssatz von maximal 5%. Aber was interessiert die Welt schon so ne Feststellung von einem wie mir. Ich heiß halt net McKinsey oder ähnlich. Schee wars und das Trainingslager von heuer ist wohl auch die Benchmark für die Zukunft…
Ach ja, Johanna, wir alle wünschen Dir für das was bei dir ansteht viel Kraft und Zuversicht und auch die notwendige Geduld. Wir freuen uns alle, dass Du inzwischen wieder auf dem Bike sitzt und wir mit dir baldmöglichst eine Runde auf demselbigen drehen können. Unser Gschmarre hältst ja schon aus. Wir sind sicher du schaffst das!
In diesem Sinne – ride on – auf eine geile Saison 2012… und 2013 gerne wieder!
(Wir haben über 1000 Bilder, ca 200 davon gibt’s in der Fotogalerie, Videos folgen)
Der Alde